Burg, Annemarie-Schulz-Haus © Interessengemeinschaft Bauernhaus, Archiv

Das Spreewaldhaus: Bauernhaus des Jahres 2017

Das erste von der Interessengemeinschaft Bauernhaus gekürte „Bauernhaus des Jahres“ war das Spreewaldhaus, was eine großartige Anerkennung für die besondere Spreewälder Blockbebauung bedeutet, jedoch auch eine immense Herausforderung an die Region zur Erhaltung dieses bäuerlichen Kulturerbes.

Die Beschreibung eines Blockhauses von Eberhard Deutschmann aus dem Buch „Lausitzer Holzbaukunst“

„Ein Blockhaus stellt eine fest zusammengefügte Kiste dar, die als geschlossenes Ganzes keinen anderen Formenänderungen als Schwundbewegungen unterliegt. Diese starre, geschrotene Kiste wird dann an einigen Punkten auf Findlinge gelagert, damit zwischen Grundschwelle und Erdreich eine Lücke verbleibt, die das Abfaulen der Schwelle verhindert. Wenn sich die Findlinge mit der Zeit einsenken, wird die ganze Blockhauskiste gehoben und mit neuen Steinen unterfüttert. Diese punktartige Lagerung der hochliegenden Grundschwelle hatte nicht nur Schutz gegen die aufsteigende Bodenfeuchtigkeit zu bieten, sondern bewährte sich auch bei den alljährlichen Überschwemmungen.“ Mit dieser Beschreibung charakterisierte Eberhard Deutschmann in seinem 1959 veröffentlichten Buch „Lausitzer Holzbaukunst“ wesentliche Merkmale der bäuerlicher Baukultur im Feuchtgebiet des Spreewaldes.

Die Materialien für das traditionelle Bauernhaus des Spreewaldes kamen aus der Region

Das traditionelle Bauernhaus des Spreewaldes ist ein einfaches Blockhaus, das über die Jahre an die Besonderheiten der Spreewaldlandschaft und die Bedürfnisse ihrer Bewohner angepasst wurde. So entstanden verschiedene, regionaltypische Ausführungen dieser Häuser, die aus ineinandergesteckten Holzbohlen und einem mit Reet gedeckten Dach bestehen. Die Baumaterialien, Erle, Eiche und Rohr (Rogosch), stammten aus der von Wasser und Wald geprägten Region.

Der Oberspreewald liegt in einer eiszeitlich geformten Niederung, die durch ihre flache Landschaft mit einem geringen Gefälle das Flusswasser der Spree weitläufig verzweigen lässt und so eine Auen- und Moorlandschaft bildet. Siedeln war in diesem feuchten Gebiet nur dort möglich, wo Erhöhungen einen trockenen Untergrund gewährten. So entstand am östlichen Rand des großen Flußdeltas auf einer sandigen Anhöhe das Dorf Burg oder Borgk, dessen Name vom dortigen Kiefernstandort abgeleitet wurde („Borkowy“, die Ansiedlung am Kieferngehölz). Schon im Mittelalter hatten sich Wenden/Sorben dort angesiedelt. Das Dorf Burg gehört zum Landkreis Spree-Neiße.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts begannen die Bewohner außerhalb der mittelalterlichen Dorfstruktur zu siedeln. Sie suchten in der Region nahe des Dorfes, welches jedoch von Moor und Fließen des Binnendeltas der Spree umgeben war, neuen Lebensraum. Auf den durch Schwemmsand entstandenen leichten Erhebungen zwischen den Fließen, den sogenannten Kaupen, begannen sie ihre Grundstücke urbar zu machen und dort Blockhäuser zu errichten. So entstand zu jener Zeit eine „Schwarzbausiedlung“ in den Kaupen. Die Höfe konnten damals nur über den Wasserweg erreicht werden.

Legalisierung der Kaupensiedlung und Urbarmachung von Niedermoorbereichen

1725 wurden per Rescript von König Friedrich Wilherm I. die bestehenden Grundstücke auf den Kaupen legalisiert und eine gezielte Kolonisierung der Region angestrebt, die sogenannte Innere Kolonisation zur Ansiedlung „ausländischer Familien“. So erweiterte sich der einstige Dorfkern Burg im Bereich der Kaupen zu einer großen Streusiedlung. Auch im Niedermoorbereich entstand ab 1766 unter König Friedrich II. durch gezielte Entwässerung und Urbarmachung neuer Siedlungsraum - der heutige Ortsteil Burg-Kolonie.

Bei der Besiedlung der Kaupenlandschaft errichteten Menschen unterschiedlicher Besitzstände und Rangordnungen wie Bauern, Halbbauern, Kossäten, Büdner und Handwerker ihre Häuser ausschließlich in Blockbauweise.


Spreewaldhaus historisch @ Foto Steffen
Spreewaldhaus © Roland Kobel
Annemarie-Schulz-Haus © Gerd Rattei

Das Wohnstallhaus Anpassung der Bebauung an die gegebenen Anforderungen

Die rauhen, klimatischen Verhältnisse des Spreewaldes erforderten Häuser mit geeigneter Wärmedämmung. Dies konnte zu jener Zeit mit Holzwänden in Blockbauweise und Lehmverfugung bestmöglich realisiert werden. Während die Blockbauten im Dorfkern denen anderer Regionen der Niederlausitz glichen und vermutlich als reine Wohnhäuser dienten, entwickelten sich die einetagigen Blockbauten der Kaupenregion zu einer eigenen Blockhausform, angepasst an die speziellen Anforderungen. Denn sie waren von dem umgebenden Wasser besonders gefährdet. Um die Grundschwelle vor der hohen Bodenfeuchte und dem regelmäßigen Hochwasser zu schützen und bei eingedrungener Nässe eine schnelle Trocknung zu ermöglichen, platzierten die Siedler als Fundamente Findlinge, auf denen sie ihre Häuser errichteten. Es entstanden lang gestreckte, rechteckige Gebäude mit mehreren Abschnitten, die Wohnen und Viehhaltung sowie alle weiteren Wirtschaftsräume unter einem Dach vereinten. Diese Wohnstallhäuser wurden ausschließlich aus Holz und in Blockbauweise errichtet. Die Holzbohlen waren aus Laubbäumen, meist Erlen gefertigt, da diese in der Region vorrangig wuchsen. Traditionell waren die Häuser mit ihren verzierten Eingangstüren und Wohnstuben Richtung Süden ausgerichtet, die Giebel wurden mit dem Schutzsymbol des Schlangenkönigs geschmückt.

Die Vielfalt kleinteiliger Lebensräume mit den zahlreichen Gewässern im Wechsel mit nassen, feuchten und trockenen Bereichen boten und bietet noch heute einen idealen Lebensraum für Ringelnattern. Diese ungiftigen Schlangen leben in der Nähe der Menschen und werden sehr geschätzt, denn sie halten die Hofbereiche frei von Ungeziefer wie Ratten und Mäuse.

Über die Jahre kam es in funktioneller wie auch gestalterischer Hinsicht zu verschiedenen Ausführungen und Abwandlungen der ursprünglichen Blockhausform. So ist das Giebelkammerhaus eine Weiterentwicklung des regionaltypischen Wohnstallhauses. Eine Galerie im Dachstuhl schuf zusätzlichen Raum im Obergeschoss des Hauses. Dieser diente den Bewohnern als Speicher. Ab Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Wohnstallhäuser häufig von Doppelstubenhäusern ersetzt. Es handelte sich hierbei um Mehrfamilienhäuser, genutzt als reine Wohnhäuser, welche das Wohnen der ersten und zweiten Generation in zwei durch den Eingangsbereich getrennten Stuben ermöglichte. Da die Wirtschaftsbereiche in gesonderte Gebäude ausgelagert wurden, entstanden Haufenhöfe. Diese Vergrößerung der Höfe lässt auf einen gestiegenen Wohlstand der Siedler schließen.

Ab dem Jahr 1800 ist eine Abwandlung des traditionellen Doppelstubenhauses zu finden: das sogenannte Giebelgebindeblockhaus. Den Blockhäusern wurde als ästhetisches Element ein Fachwerkständer vorgestellt, der mit dem Blockbau auf einer gemeinsamen Fußschwelle stand und keine statische Funktion besaß. Es handelt sich daher um ein sogenanntes unechtes Umgebinde.

Die Spreewälder Blockhäuser als Zeugnisse einer bäuerlichen Baukultur in der „harmonischen Kulturlandschaft“ des Biosphärenreservates Spreewald

Mit den besonderen Bauarten des Oberspreewaldes wurden Unikate der Blockbauweise geschaffen. Diese sind Zeugnisse der regionalen Kulturgeschichte. Sie verdeutlichen die Fähigkeit, dem unwegsamen Terrain zum Trotz, in jener Zeit mit einfachen Mitteln und den Materialien der unmittelbaren Umgebung Gebäude zu errichten, die in ihrer Einfachheit Jahrhunderte überdauern konnten. Sie sind ein wichtiger Teil der einzigartigen Kulturlandschaft des Spreewaldes und prägend für die Landschaft. In der Verordnung des Biosphärenreservates Spreewald wird dieses Landschaftsschutzgebiet als „Harmonische Kulturlandschaft“ bezeichnet.

Besonders in Zeiten, in denen das Wort „Nachhaltigkeit“ in aller Munde ist, könnte ein Blick zurück Beispiele für regional angepasstes und Ressourcen schonendes Bauen liefern. Umso wichtiger ist es, die Bauernhäuser jener Zeit zu erhalten und sie als Lebensraum in die Jetztzeit zu überführen.

Die Außenstelle Spreewald der IgB e.V. hat ein Wohnstallhaus aus dem Jahr 1726 vor der Zerstörung bewahrt und im Bereich des Schlossberghofes in Burg (Spreewald) wieder aufgebaut. Es wurde unter Berücksichtigung neuer und alter Bautechnik sowie unter dem Aspekt einer nachhaltigen Energiebewirtschaftung restauriert. So entstand ein anschauliches Exemplar für modernes Leben in alter Bausubstanz, welches für die Öffentlichkeit zugänglich ist: „Das Annemarie-Schulz-Haus“.

Gabriele Höppner und Rebecca Träger, Juli 2017

Grundlagen:
Eberhard Deutschmann und Alfred Roggan

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