
HouseEurope! 1 Million Unterschriften für eine europäische Bauwende
Interview mit Julia Senf und Jackie Williams
Zuallererst: Wofür macht sich HouseEurope! genau stark?
HouseEurope! ist eine europäische bürgerschaftliche Initiative, also eine Petition auf europäischer Ebene. Die Initiative setzt sich für Sanierung und gegen den Abriss von Gebäuden ein – für die Schonung unserer Ressourcen, für die Stärkung des Handwerks, für den Erhalt von Geschichte, Diversität und bezahlbarem Wohnraum, fürs Klima und, wer hätte es gedacht - auch für unsere Wirtschaft! Und Ihr könnt Teil der Bewegung sein, indem ihr die Petition unterschreibt und uns helft, sie weiter zu verbreiten! Wir haben bisher 17.000 Unterschriften (Stand: 04/25). Unser Ziel: eine Million!
Auf den ersten Blick würde man denken, dass Sanieren günstiger sein sollte als neu zu bauen, da der Großteil des Gebäudes schon da ist. Warum ist Sanierung aber meist weniger attraktiv als Abriss und Neubau?
Das Problem besteht in der Benachteiligung des Bestandes. Denn die Werte, die in den existierenden Gebäuden stecken – vom bestehenden Rohbau und der grauen Energie über die Arbeit, die Geschichte bis hin zur Gemeinschaft, die diese Orte immer auch mit hervorgebracht haben – werden nicht erfasst und beziffert. Zudem ist Sanierung bisher häufig teurer, weil es arbeitsintensiver ist und Arbeit hoch besteuert wird.
HouseEurope! fordert daher eine Mehrwertsteuersenkung auf Sanierungsarbeiten. Die aktuellen Baunormen und -ordnungen erschweren die Umnutzung und den Umbau zusätzlich, da sie Neubau-Standards einfordern. Da man in den meisten Bundesländern außerdem keine Abrissgenehmigung braucht, sondern diesen lediglich anzeigen muss, fällt die Entscheidung für einen Abriss und Ersatzneubau meist leichtfertig. Folge ist, dass wertvolles Wissen und Erfahrungen über den Umgang mit Bestand verloren gegangen sind.
Es braucht deshalb eine kollektive Wiederentdeckung und das Verständnis dafür, dass Abriss für Neubau nicht mehr zeitgemäß ist, genauso wie Lebensmittelverschwendung und Einweg-Plastik.
Es gibt bereits viele Initiativen auf lokaler und nationaler Ebene, die eine Bauwende einfordern. Warum geht ihr mit HouseEurope! nun auf die europäische Ebene?
Ganz einfach: Weil ein Großteil der nationalen Gesetze von EU-Regularien abhängen – ganze 96 Prozent! Mit dem Instrument der europäischen Bürgerinitiative ermöglicht die EU den Menschen, diese Regularien mitzugestalten. Allerdings nur, wenn es uns gelingt, innerhalb eines Jahres europaweit 1 Million Unterschriften zu sammeln. Erst dann berät die Kommission über unsere Forderungen.
Dieses direktdemokratische Werkzeug hat das Potenzial, in der breiten Bevölkerung Aufmerksamkeit für unser Thema zu erzeugen. Deshalb versuchen wir, mit so vielen verschiedenen Menschen wie möglich ins Gespräch zu kommen, sowohl digital als auch persönlich. Das ist nicht immer leicht. Der Gebäudesektor ist Klimakiller und Ressourcenfresser Nummer 1 und doch immer noch der „Elefant im Raum” – unübersehbar aber unausgesprochen. In manchen Gesprächen fällt uns auf, wie emotional die Debatte wird, wenn es um das Thema Wohnen geht. Besonders unter Mietenden gibt es durchaus Vorbehalte gegenüber Sanierung. Trotzdem, auch wenn diese Art der Kampagnenarbeit für fast alle von uns neu ist und durchaus anstrengend sein kann, machen diese spannenden Begegnungen Spaß. Unser Zwischenresümee: Eine Kampagne zur Sammlung von 1 Million Unterschriften erfordert Durchhaltevermögen, Kreativität und gute Organisation.
Apropos, wie ist eure Initiative organisiert?
HouseEurope! besteht aus einem Kernteam – den Initiatoren der Initiative – und sogenannten National Organising Members (NOM), die die Kampagne auf den jeweiligen nationalen Ebenen koordinieren. In Deutschland übernimmt diese Funktion Architects For Future (A4F). Wir haben dafür eine eigene Projektgruppe gegründet (A4F goes HE!), die momentan aus etwa 14 Menschen besteht – alle ehrenamtlich. Wir sind überwiegend in der Baubranche als Studierende, Lehrende, in der Wissenschaft und der freien Wirtschaft beschäftigt und motiviert, die Bauwende mitzugestalten. Trotz vieler Parallelen, bringen wir auch sehr unterschiedliche Fähigkeiten mit und übernehmen daher verschiedene Aufgaben im Rahmen der Initiative. Ob Layouten von Werbematerial, Organisation von Veranstaltungen, Kommunikation mit Kooperationspartnerinnen oder Entwicklung von neuen Kampagne-Strategien. Um all das zu organisieren, treffen wir uns wöchentlich im Wechsel zu Absprache und Projektarbeit.

Das klingt nach viel Zeit und Herzblut, das ihr alle in die Kampagnenarbeit steckt. Welche konkreten Strategien verfolgt ihr denn, um die 1 Mio Unterschriften zu sammeln?
Zunächst haben wir Verbände, Kammern, Initiativen, Universitäten etc. angeschrieben, um Sie dafür zu gewinnen, uns bei der Verbreitung der Initiative zu unterstützen. So ist auch die IgB Teil unseres Netzwerks geworden. Darüber hinaus halten wir Vorträge auf Veranstaltungen und Messen, geben Interviews in Zeitschriften wie Arch+ oder im Fernsehen (arte) und versuchen auch außerhalb der Baubranche auf die Abriss-Thematik aufmerksam zu machen, wie zum Beispiel beim diesjährigen evang. Kirchentag in Hannover. Wir haben außerdem die Wanderausstellung FIX IT! gemeinsam mit dem Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA auf die Beine gestellt. Die Ausstellung stellt die Initiative vor und zeigt positive Umbau-Beispiele aus dem Umbau-Atlas des BDA. Die Ausstellung wandert an unterschiedliche Orte in Deutschland und dient auch als Plattform für Podiumsdiskussionen und HandsOn-Aktionen, um den Austausch zwischen lokalen Akteuren zu fördern. Zukünftig soll außerdem ein Erzählformat entstehen, um Sanierungshelden ihre individuelle Geschichte erzählen zu lassen und so Möglichkeiten des Umgangs mit dem Bestand aufzuzeigen. Schaut gerne auf unserem Instagram-Kanal HouseEurope.DE vorbei, um über unsere Aktionen auf dem Laufenden zu bleiben.
Wo ihr gerade schon auf euren Social Media Kanal hinweist. Wie können die IgB-Mitglieder HouseEurope! unterstützen?
Was wir brauchen, sind natürlich EURE Unterschriften, um zu bewirken, dass sich der Umgang mit dem Bestand künftig ändert. Deshalb – nehmt euch einen kurzen Moment Zeit und unterschreibt die Petition unter houseeurope.de.
Was ihr noch machen könnt? Darüber sprechen– denn der Umgang mit unserer gebauten Umwelt geht uns alle an! Und falls ihr so richtig Feuer gefangen habt, seid ihr natürlich auch herzlich willkommen, euch an unseren Aktionen zu beteiligen – ob als Geschichtenerzählerin einer Sanierung, als Veranstalter der FIX IT! Ausstellung oder als aktives Mitglied unserer Projektgruppe. Meldet euch gerne unter: kooperation@architects4future.de. Danke für eure Unterstützung!
➛ Weitere Informationen zur Initiative und den konkreten Forderungen hier unter houseeurope.eu/de
➛ Zur EU Petitionsseite zum Unterschreiben geht es hier...