Der Holznagel 1975 bis 2025: mit Fachwissen und klarer Haltung!

von Julia Ricker, IgB

Seit 1975 ist der Holznagel unsere starke Stimme für die Erhaltung historischer Bausubstanz. In den vergangenen 50 Jahren hat sich viel verändert: im gesellschaftlich-politischen Bereich sowie im Denken über alte Häuser. Anlässlich des 50. Holznagel-Jubiläums wollen wir, wie schon zum 40. Geburtstag unserer Vereinszeitschrift, auf drei zentrale Themen des ersten Heftes zurückblicken. Und es zeigt sich: Sie sind heute noch genauso aktuell wie vor 50 Jahren!

Altbau-Erhaltung und Gesetze

Sich für die Bewahrung des Bestands einzusetzen bedeutet in der IgB schon immer, sich mit der jeweils aktuellen Baupolitik auseinanderzusetzen. Sie war in den 1970er-Jahren ein Auslöser zur Gründung unseres Vereins. Damals spielte der baukulturelle Wert der jahrhundertealten Bausubstanz auf dem Land kaum eine Rolle. Das Bauen stand im Zeichen der Modernisierung, oft zulasten gewachsener Dorfkerne und ihrer Gebäude, was zu massiven Veränderungen von Ortsbildern führte.

Die Gesetze: ein großes Thema der ersten Holznagel-Ausgabe von 1975

Abrisse und unsachgemäße Umbauten waren in der Gründungsphase der IgB an der Tagesordnung. Die gesetzlichen Bestimmungen erschwerten die Erhaltung und Umnutzung von landwirtschaftlichen Gebäuden. Das Bundesbaugesetz ließ Bauvorhaben im Außenbereich nur eingeschränkt zu, weil eine Zersiedelung der Landschaft verhindert werden sollte. 

Ein zentrales Problem war dabei der Paragraf 35. Er regelte die Nutzung im Außenbereich und erlaubte Umnutzungen landwirtschaftlicher Gebäude zu Wohnzwecken nur eingeschränkt, was den Verfall von Haus- und Hofgebäuden begünstigte. Besonders im ländlich geprägten Niedersachsen, wo Einzelgehöfte weit verbreitet sind, führte dies zu erheblichen Spannungen zwischen Behörden und Eigentümern. Die Anfangsjahre der IgB waren von diesem Konflikt geprägt, der regelmäßig auch im Holznagel thematisiert wurde. 

Im Zusammenschluss mit anderen Gleichgesinnten erreichten IgB-Mitglieder 1976 dann eine Novellierung von Paragraf 35. Die neue Fassung erleichtert seitdem eine Umnutzung im Außenbereich. Und die IgB bewies bereits kurze Zeit nach der Vereinsgründung ihre fachliche und politische Relevanz.

Als zweites Problem kritisierte der erste Holznagel von 1975 die damalige Niedersächsische Gemeindeordnung, die Behörden untersagte, unseren Verein über Abbruchanträge zu unterrichten. Der Datenschutz und andere Rechtsgüter standen dem damals entgegen und sie gelten heute noch dort, wo Bauordnungen Abrissanzeigen- und -genehmigungen vorschreiben. Für die Rettung historischer Baustoffe wäre ein frühzeitiger Informationsfluss allerdings ein großer Gewinn. 

Der Kreislaufgedanke beim Bauen und Instandsetzen hat in den letzten fünf Jahrzehnten dennoch erheblich an Gewicht gewonnen. Der baukulturelle Wert historischer Baumaterialien, die bei Abbrüchen anfallen, und die graue Energie, die in ihnen steckt, sind inzwischen erkannt. In Deutschland unterstützen mittlerweile einige Landkreise, Städte und Gemeinden – die beim Bauen zunehmend selbst auf gebrauchtes und recyceltes Material zurückgreifen – logistisch oder finanziell sogenannte Material- oder Bauteilbörsen bzw. Bauteilkreisel. Sie werden oft von Vereinen oder anderen Initiativen organisiert, die Baumaterial vor Ort oder über Internetplattformen vertreiben.

In der IgB werden Bauteile, Baumaterialien und Werkzeuge, insbesondere im Netzwerk unserer Außen- und Kontaktstellen, zur Verfügung gestellt und weitergegeben und darüber hinaus im Holznagel und auf unserer Internetseite angeboten. Die Idee der Bergung von Baumaterial ist für unseren Verein jedenfalls so essenziell, dass wir diesen Aspekt 2021 in die neue Gruppenunfallversicherung der IgB mit aufgenommen haben – das heißt, es besteht seither auch Versicherungsschutz bei Schäden, die beim Bergen von Baumaterial entstehen.

Von Beginn an versucht die IgB zu retten, was zu retten ist: das zweite große Thema der ersten Holznagel-Ausgabe © IgB Archiv

Schulterschluss im Bündnis

Zurückgekehrt zu ihren Wurzeln, also zu einer verstärkten politischen Arbeit, ist die IgB in den letzten sechs Jahren. Wir haben im Holznagel regelmäßig darüber berichtet. Politische Arbeit fand häufig im Netzwerk mit anderen Organisationen statt, um gemeinsam mehr zu erreichen: beispielsweise im Denkmal-Bündnis 2019 im Rahmen der damaligen Novellierung des Grundsteuergesetzes sowie 2020 bis 2022 im Denkmal-Schutzbündnis NRW gegen das neue Denkmalschutzgesetz. In beiden Fällen konnten wir zumindest Teile unserer Forderungen durchsetzen und viel öffentliche Aufmerksamkeit für unsere Anliegen erreichen. 

Darüber hinaus üben wir seit 2021 immer wieder den Schulterschluss zu den Architects for Future und zwar zu verschiedenen Aspekten für eine Bauwende. Hervorzuheben ist hier der Entwurf einer sogenannten MusterUmBauordnung, deren Ideen jetzt sogar stellenweise in die neue Bauordnung von Niedersachsen eingeflossen sind.

Daneben waren wir als Einzelkämpfer aktiv, zum Beispiel in Form von Stellungnahmen zu EU-Gesetzgebungsverfahren im Rahmen der EU-Renovierungswelle sowie bei Anhörungen auf Bundes- und Länderebene. Und außerdem haben wir bei Gesprächen mit Abgeordneten immer wieder gefordert, dass die Bewahrung historischer Baukultur bzw. die maßvolle Instandsetzung bereits vorhandener Gebäude massiv – nicht nur finanziell – gefördert werden muss.

Abrisse verhindern, Bestand bewahren

Von Beginn an geht es der IgB darum, den Gebäudebestand fachgerecht zu bewahren und Abrisse zu verhindern. Im Verein setzen wir uns dafür ein, dass erhaltenswerte Gebäude nicht vorschnell wegen angeblicher Schäden, vermeintlicher Unwirtschaftlichkeit oder aufgrund mangelnder Ideen für eine nachhaltige Nutzung aufgegeben werden. Leider machen IgB-Mitglieder heute wie vor 50 Jahren die Erfahrung, zu spät von Abrissplänen zu erfahren.

Aktuell arbeiten wir in der Anti-Abriss-Allianz mit vielen anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren für strengere Regelungen gegen den Abriss. Das besondere an diesem Bündnis ist, dass sich zum ersten Mal Aktive aus den Bereichen Soziales, Umweltschutz und Kulturerbe gemeinsam für dieses Ziel einsetzen. Die Anti-Abriss-Allianz ist eine Neuauflage des Abriss-Moratoriums, jedoch mit erweitertem Fokus: Abrisse sollen nicht mehr nur aus Klimaschutz-Gründen verhindert werden, sondern auch für den Schutz des baukulturellen Erbes. In diesem Sinne unterstützen wir auch die europäische Bürgerinitiative House Europe! Der Holznagel ist dabei ein unverzichtbares Sprachrohr, über das wir unsere Positionen gezielt nach außen tragen können.

„Probleme“ mit den Gesetzen gibt es für die IgB also heute genauso wie vor 50 Jahren. Seit fünf Jahrzehnten reagiert unser Verein immer wieder neu auf die sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Ohne Zweifel kann vor allem ein gutes Zusammenspiel von Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft in hohem Maße zur Bewahrung historischer Bausubstanz beitragen.

Retten, was zu retten ist

Als sich 1973 die ersten IgB-Mitglieder zusammenschlossen, um gegen die Zerstörung jahrhundertealter Bauten auf dem Land anzugehen, lautete die vom Vereins-Initiator Julius Kraft formulierte Botschaft: „Es muss eine Alternative gegen den Abbruch geben.“ Seither geht es uns in der IgB darum, Wertschätzung und Bewusstsein für regionaltypische Gebäude und deren gewachsene Umgebung herzustellen. Mit den eigenen Hausinstandsetzungen tragen IgB-Mitglieder dazu bei, historische Bausubstanz und ganze Ortsbilder zu bewahren und sie wollen als Vorbilder, damals wie heute, Gleichgesinnte gewinnen.

Die Idee, durch Offenheit und gute Beispiele einer nachhaltigen und sachgemäßen Instandsetzung Überzeugungsarbeit zu leisten, führte 1974 erstmals zu einem Tag der offenen Tür. Die Aktion war ein voller Erfolg. Damals existierte der Tag des offenen Denkmals noch nicht, der seit 1993 bundesweit durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz koordiniert wird. Entsprechend hoch war der Ansturm auf IgB-Häuser – und ist es bis heute geblieben. Jedes Jahr beim Tag des offenen Denkmals kommt es vor, dass in manchen IgB-Häusern bis zu 1.000 Interessierte zusammenkommen. Wir können stolz darauf sein, dass sich viele Mitglieder mit und ohne Vereinsamt mit individuellen Interessen und Kompetenzen in die IgB einbringen. Und mit Blick in die Zukunft müssen wir es als Gemeinschaft weiter schaffen, Begeisterung zu wecken und Menschen für unsere Ziele einzunehmen. Unser Holznagel ist das zentrale Bindeglied dafür. Hier stellen sich Mitglieder mit ihren Haus-Projekten vor, hier teilen sie ihr baufachliches Wissen in Theorie und Praxis und geben unterschiedlichste Tipps und Erfahrungen rund um die Instandsetzung weiter. Und immer geht es uns darum, soviel Bausubstanz wie möglich zu erhalten. Unser Ziel war und bleibt: Retten, was zu retten ist!

Der Zusammenhang von Umweltschutz und Denkmalschutz wurde schon 1975 diskutiert: das dritte große Thema der ersten Ausgabe

Bestandserhaltung ist Umweltschutz ist Klimaschutz

„Baudenkmalspflege, so sollte man annehmen, dürfte heute, ebenso wie die Erhaltung der Landschaft, nicht mehr eine Sache spezieller Neigung sein. Eigentlich gehören beide Problemkreise in den Bereich unabwendbarer Tatsachen“, heißt es im ersten Holznagel-Heft von 1975. Hinzuzufügen ist, dass es der IgB nach wie vor um denkmalgeschützte Gebäude ebenso geht wie um die erhaltenswerte Bausubstanz, also um Bauten von kulturhistorischem Wert, die aber nicht denkmalgeschützt sind.

In der Gründungsphase unseres Vereins existierten in vielen Bundesländern ja noch keine Denkmalschutzgesetze. Altbauerhaltung erfolgte mehr aus idealistischen Motiven anstatt durch rechtliche Notwendigkeit. Gleichzeitig entwickelten sich Umwelt- und Naturschutzinitiativen. Beide Bewegungen, der Umweltschutz und der Denkmalschutz bzw. die Altbauerhaltung verbinden gemeinsame Anliegen: die Erhaltung von Substanz, von Identität und gewachsenen Strukturen.

Durch den positiven Impuls des Europäischen Denkmalschutzjahres wirkten die Ideen von Denkmalschutz und Denkmalpflege bis in die 1980er- und 1990er-Jahre hinein als Motor bei der Stadterneuerung und Landesplanung – nach der politischen Wende auch in den östlichen Bundesländern. Allerdings erreichten Umweltthemen sehr bald eine viel breitere gesellschaftliche Zustimmung und schafften es, auch mit der Gründung der Partei „Die Grünen“, auf die politische Agenda. Dagegen wurden Denkmalschutz bzw. Altbauerhaltung häufig sogar als gegensätzliche Belange zum Umweltschutz gesehen.

In der IgB gehören der Umweltschutz und die Altbauerhaltung seit den 1970er-Jahren zusammen. Seither sind sie der Kern unserer Überzeugungen und der Antrieb unseres Handelns. Dazu zählt, beim Instandsetzen so viel originale Bausubstanz wie möglich zu erhalten, substanzschonende Möglichkeiten der Wärmedämmung zu finden sowie Baumaterialien wiederzuverwenden und ökologische Baustoffe einzusetzen. In unserem Verein sowie in Fachkreisen gehörte insbesondere Manfred Röver zu den Pionieren auf diesem Gebiet. Erst in den letzten Jahren sind diese Ideen zu einem selbstverständlichen Teil der Fachwelt geworden, auch weil der Klimaschutz als zusätzliches Argument für die Altbauerhaltung an Bedeutung gewann.

In der IgB diskutierte in einem umfassenden Holznagel-Artikel bereits 2012 die damalige Pressereferentin Michaela Töpfer die Relevanz der Altbauerhaltung im Zusammenhang der Klimakrise und der Energiewende. (Artikel lesen hier...)

Ein Höhepunkt der Auseinandersetzung mit diesen Aspekten war dann 2023, im Jubiläumsjahr der IgB, die Tagung „Klimaschutz ist mehr als Wärmedämmung“ in Lauenhagen. Sie zielte darauf ab, die im Verein in fast fünf Jahrzehnten gesammelten Erfahrungen in der Theorie und in der Praxis zusammenzubringen und in eine breitere Öffentlichkeit zu vermitteln.


Eine 50 Jahre alte Definition, die aktueller kaum sein könnte…

Was ist Denkmalschutz?

Denkmalschutz ist ein wesentlicher Teil des Umweltschutzes und damit des Schutzes unserer Lebensqualität. Denn nicht nur reine Luft, sauberes Wasser und eine unversehrte Landschaft sind zum Lebensglück notwendig, sondern auch das Wohnen in einer menschenwürdig gebauten Umwelt, die es den Menschen ermöglicht, nach ihren sozialen und kommunikativen Bedürfnissen zu leben. Diese Aufgabe kann nur eine Siedlungsstruktur erfüllen, die allmählich mit den Menschen gewachsen ist, nicht jedoch auf Verschleiß und Kostenminimum kalkulierte „Behälter“-Architektur. Deshalb bedeutet Denkmalschutz Erhaltung, Sanierung und Wiederbelebung ganzer Stadt- und Ortsbereiche, die uns als Erbe der Vergangenheit geblieben sind.

aus: Peter Bode: 1975, S. 4.

Im Zentrum der Tagung stand die Forderung, den Blickwinkel der bisherigen Berechnungspraxis zur Bewertung von Energieeffizienz – bisher verengt auf den Betriebsenergiebedarf und die Heizenergieerzeugung eines Gebäudes – zu erweitern und die riesigen Mengen der in den Gebäuden steckenden grauen Energie zu berücksichtigen. Insofern formulierten die Anwesenden in der „Lauenhäger Erklärung“, dass alles getan werden muss, um Abrisse zu verhindern und die vorhandene Bausubstanz zu sichern und „intelligent“ instandzusetzen (Artikel lesen hier...).

Für die IgB ist der Zusammenhang von Altbauerhaltung und Nachhaltigkeit bzw. Klimaschutz so wichtig, dass die Mitgliederversammlung 2021 die Vereinssatzung entsprechend angepasst hat, hier heißt es jetzt unter § 2.2.: Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch die Erhaltung von denkmalgeschützter und nicht geschützter alter Bausubstanz sowie ihres hergebrachten baulichen und natürlichen Umfeldes. Dies geschieht durch Beratung und Information der Mitglieder und der Öffentlichkeit im Sinne eines nachhaltigen Kulturgut- und Ressourcen-/ Umweltschutzes.

Haus für Haus stirbt Dein Zuhause

Historische Bauten – ob denkmalgeschützt oder nicht – stehen auch nach 50 Jahren Holznagel weiter auf dem gesellschaftlichen Prüfstand: etwa aus baukulturellem Unverständnis, politischer Kurzsichtigkeit und wirtschaftlich motiviertem Gewinnstreben. Nach wie vor beobachten wir mit großer Sorge, in welchem Maß alte Häuser abgerissen und das dazugehörige Umfeld bis zur Unkenntlichkeit verändert und umgebaut wird. An einem einzigen Tag kann verloren gehen, was Jahrhunderte lang Bestand hatte. Die IgB erwartet von den verantwortlich Handelnden ein hohes Maß an Sensibilität, Verantwortungsbewusstsein und Standfestigkeit im Umgang mit unserem Kulturerbe.

Haus für Haus stirbt Dein Zuhause

Seit 1993 verwenden IgB-Mitglieder das Plakat „Haus für Haus stirbt Dein Zuhause“ überall dort, wo der Verlust von baukulturellem Erbe und gewachsenen Ortsstrukturen droht. Der Appell geht auf das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 zurück und wurde damals vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz zusammen mit der Aktion Gemeinsinn formuliert. Er ist heute so aktuell wie damals. Zum 50. Jubiläum haben wir das IgB-Plakatmotiv als Postkarte neu aufgelegt.

Die Postkarte kann bei den IgB-Treffen mitgenommen werden.

Das Plakat herunterladen hier....

In diesem Sinne kritisierte auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) anlässlich ihres 40. Geburtstages im April 2025, dass politische Angriffe auf Denkmalschutzgesetze und -prozesse weiter zunehmen, oft mit der Begründung, bürokratische Hürden abbauen zu wollen, Neubauprojekte zu beschleunigen oder Klimaschutzziele erreichen zu können. Notwendige Reformen würden dadurch blockiert. Die öffentliche Hand, die eigentlich eine Vorbildfunktion im Umgang mit Denkmalen in ihrem Eigentum haben sollte, gebe häufig ein schlechtes Bild ab: Der Denkmalstatus werde vielfach ignoriert, zuständige Fachgremien würden übergangen und Maßnahmen bis hin zu Abrissbeschlüssen nicht selten auf ministerialer Ebene willkürlich entschieden.

Dazu passt, dass in den vergangenen Jahren tausende Denkmale abgerissen und von den Denkmallisten gestrichen wurden. Leider werden die Zahlen bisher nicht gesammelt veröffentlicht. Auch aus diesem Grund hat die DSD ein Positionspapier mit fünf Punkten veröffentlicht, um den Denkmalschutz zu verbessern. Sie fordert beispielsweise mehr Transparenz in Bezug auf den Denkmalbestand in Deutschland, etwa durch eine umfassende und einheitliche Erfassung aller Denkmale sowie eine Dokumentation von geplanten Abrissen, Streichungen aus Denkmallisten und Verlusten von Denkmalen.

Vor dem Abriss gerettet!

Es geht aber auch anders! Das beweisen die Mitglieder der IgB. Unser Verein kann mit einer enormen Anzahl an Gebäuden aufwarten, die in den vergangenen Jahrzehnten vor dem Abriss gerettet wurden. In Deutschland gibt es wahrscheinlich keine andere Organisation und keine andere Gemeinschaft von Gleichgesinnten, die so viele Häuser vor dem Abriss bewahrt hat, wie die IgB! Und zwar aus verschiedenen Gründen: weil es schon eine Abrissaufforderung oder eine Abrissgenehmigung gab, weil der Abrissbagger schon davor stand, oder weil ein Haus abgerissen worden wäre, wenn IgB-Mitglieder es nicht übernommen hätten. Es könnten bis zu 1.000 Bauten sein. Leider wurden diese Beispiele in unserem Verein bisher nicht dokumentiert. Ab sofort wollen wir diese Häuser nach und nach sammeln und sichtbar machen.

Ein Land auf Abriss

Über die rechtswidrige Zerstörung von Baudenkmalen schrieb 2007 der damalige Feuilletonchef Hanno Rauterberg in der ZEIT. Die IgB durfte den Beitrag im Holznagel nachdrucken und Bernd Kunze gestaltete mit Genehmigung des Autors den ikonischen Holznagel-Titel dazu, der auf unserer Internetseite als Plakat heruntergeladen werden kann.

Das Plakat herunterladen hier...

Beim Außen- und Kontaktstellentreffen im Schwarzwald haben unsere Mitglieder begonnen, die Standorte ihrer geretteten Häuser mit Stecknadeln auf einer Landkarte zu kennzeichnen und grundlegende Fakten zu den Hausrettungen in Listen zu schreiben. Die Listen und die Landkarte sollen beim nächsten Außen- und Kontaktstellentreffen wieder bereitliegen und weitergeführt werden. Wir sammeln nun die Fakten, um sie bald auf unserer Internetseite abzubilden. Vielleicht gehört Ihr auch zu den Häuser-Rettern in der IgB. Dann beteiligt Euch demnächst an unserer Aktion!

Der Blick auf 50 Holznagel-Jahre zeigt viele Veränderungen. Das Herzstück ist aber über die Zeit dasselbe geblieben: das Engagement der IgB-Mitglieder. Ihr habt in den vergangenen 50 Jahren mit Euren Artikeln dazu beigetragen, alte Häuser und überkommene Ortsstrukturen zu bewahren, baufachliches Wissen in der Theorie und Praxis weiterzugeben und andere Menschen für die Ziele der IgB einzunehmen.

Nach 50 Holznagel-Jahren steht fest, dass dieses Erbe ein Fundament ist, auf dem wir weiter aufbauen müssen. Unsere „Mission“ ist noch nicht erfüllt. Wir dürfen es weiterhin nicht zulassen, dass gewachsene Dörfer ihr Gesicht verlieren, indem jahrhundertealte Gebäude für Neubauten abgerissen werden oder durch unsachgemäße Sanierungen ihren Charakter verlieren. Umso wichtiger ist es, dass sich weiterhin viele von Euch beteiligen: durch aktive Mitarbeit in der IgB und durch das Teilen von Fachwissen, Tipps und Erfahrungen im Holznagel. Also: macht mit!

Europäisches Denkmalschutzjahr 1975

Durch die Abrisswelle und den Bauboom Anfang der 1970er-Jahre kam es überall in Deutschland zum massiven Verlust gewachsener Altstadtkerne und von Gründerzeitensembles. Viele Menschen empfanden das, genauso wie die frühen IgB-Mitglieder, als tiefen Einschnitt in ihre kulturelle Identität. 

Und die IgB war damals eine der sich in Deutschland und Europa formierenden Bürgerinitiativen, die ein Bewusstsein für den Wert des baukulturellen Erbes schaffen und dafür sensibilisieren wollten, wie rücksichtslos es vielerorts zerstört wird. Durch die Ölkrise wurde gleichzeitig klar, dass Ressourcen sorgsamer genutzt werden müssen, was zusätzliche Argumente, auch für die Erhaltung des baukulturellen Erbes lieferte. Unterstützt wurden die zahlreichen Organisationen in Deutschland von Institutionen wie dem 1973 gegründeten Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz.


Haus für Haus stirbt Dein Zuhause

„Unser Lebensraum braucht Schutz. Denkmalschutz. Haus für Haus stirbt Dein Zuhause“ war 1975 der Titel einer Broschüre des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz zusammen mit der Aktion Gemeinsinn und gleichzeitig ein dringender Appell an Politik und Gesellschaft, dass die Zerstörung historischer Bauten und gewachsener Ortsbilder eine langfristige Auswirkung auf die (kulturelle) Identität hat. Peter Bode: Unser Lebensraum braucht Schutz. Denkmalschutz. Haus für Haus stirbt dein Zuhause, hrsg. v. Aktion Gemeinsinn e. V., Bonn-Bad Godesberg 1975.

Die endgültige Wende kam 1975 mit dem vom Europarat initiierten Europäischen Jahr für Denkmalschutz unter dem Motto „Eine Zukunft für unsere Vergangenheit“. Die bisher bedeutendste und erfolgreichste Kampagne zur Bewahrung des architektonischen Erbes in Europa feiert wie der Holznagel in diesem Jahr ihr 50. Jubiläum. In der Folge traten in den einzelnen Bundesländern Denkmalschutzgesetze in Kraft oder wurden fortgeschrieben. 

Denkmalämter wurden gegründet oder bestehende Ämter personell und finanziell besser ausgestattet. Neu aufgesetzte staatliche Förderprogramme und Steuervergünstigungen wirkten außerdem als Rückenwind und trugen bundesweit dazu bei, den Stellenwert des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege zu erhöhen, sodass sich auch die Bevölkerung zunehmend mit dem kulturellen Erbe identifizierte.

Literatur:

• Peter Bode: Unser Lebensraum braucht Schutz. Denkmalschutz. Haus für Haus stirbt dein Zuhause, hrsg. v. Aktion Gemeinsinn e. V., Bonn-Bad Godesberg 1975.

• Der Holznagel: 1(1975) sowie 1(2015)

• Juliane Kirschbaum: Eine Zukunft für unsere Vergangenheit. Das Europäische Denkmalschutzjahr 1975, Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz 2025. (Internet-pdf)

aus: HN 3/2025

 HN Titel
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