Der Bau-Turbo ist beschlossen, der Umbau-Turbo bleibt aus

Am 9. Oktober hat der Bundestag mit den Stimmen von SPD und CDU/CSU den Gesetzentwurf zur „Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ verabschiedet. Dieser sogenannte Bau-Turbo sieht für einen befristeten Zeitraum Sonderregelungen im Baugesetzbuch vor (vor allem den neuen § 246e), um Planungs und Genehmigungsverfahren in Kommunen zu beschleunigen und zu vereinfachen. Seit dem Sommer haben wir darauf hingewirkt, unsere baufachliche Erfahrung konstruktiv in den Gesetzgebungsprozess einzubringen.

IgB-Stellungnahme zum Bau-Turbo (am 14.07.2025 an den Bundesbau-Ausschuss)

Die Koalitionsfraktionen haben am 10.07.2025 einen Gesetzentwurf zur „Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“, den sogenannten Bau-Turbo, (Drucksache 21/781) zur 1. Lesung in den Bundestag eingebracht. Ziel des Bau-Turbos ist, die Planungs- und Genehmigungsverfahren beim Bauen zu beschleunigen und zu vereinfachen.

Die gemeinnützige Interessengemeinschaft Bauernhaus e. V. (IgB) begrüßt die vom Gesetzentwurf ausgehenden Impulse zur Vereinfachung von Verfahren ausdrücklich. Wir sind jedoch der Ansicht, dass diese Ideen nicht auf den Neubau, sondern primär auf das Bauen im Bestand ausgerichtet sein müssen. Der Fokus beim Bauen muss gerade angesichts der aktuellen und absehbaren Herausforderungen auf der Aktivierung von Leerstand und auf der Erhaltung von bereits bestehender Bausubstanz liegen.

Die IgB war bei der offiziellen Verbändeanhörung zum Gesetzentwurf leider nicht beteiligt. Gerne möchten wir uns jedoch mit unserer seit über 50 Jahren bestehenden fachlichen Erfahrung und unserer praktischen Kompetenz bei der kostengünstigen und ressourcenschonenden Bestandserhaltung konstruktiv in das weitere Verfahren einbringen.

Bauen nur im und mit dem Bestand und auf versiegelten Flächen

Im bereits existierenden Gebäudebestand verbinden sich kulturelle Werte mit grauer Energie. Wir bedauern, dass der Bau-Turbo die Möglichkeiten, die der existierende Gebäudebestand bietet, bislang übersieht und die Chancen für eine ressourcenschonende Ortsentwicklung, qualitätsvolle Bestandserhaltung sowie eine nachhaltige und flächenschonende Nachverdichtung ungenutzt lässt.

Der Bau-Turbo wird vielmehr in seiner jetzigen Fassung überwiegend zu Neubauten führen, was eine weitere Zersiedelung sowie die Versiegelung bisher unversiegelter Flächen im Innen- und Außenbereich zur Folge hat. Für Kommunen bedeutet das insbesondere im Außenbereich immense Folgekosten für die Infrastruktur (Straßen, Wasser, Abwasser). Bislang macht der Bau-Turbo im Ergebnis den Weg frei für neue Einfamilienhausgebiete auf der grünen Wiese, zulasten wertvoller, landwirtschaftlich nutzbarer Böden. Im Innen- und Außenbereich trägt die weitere Versiegelung zur Bedrohung der Artenvielfalt bei, sie zerstört für Hitzetage wichtige Frischluftzonen und -schneisen und beeinträchtigt den Wasserrückhalt. Aus unserer Sicht muss es eine klare gesetzliche Priorisierung von bereits versiegelten Flächen für jegliche Bebauung – wünschenswerterweise mit Mehrfamilienwohnhäusern – geben.

Vereinfachtes Bauen im Bestand

Bestandsgebäude bieten ein großes Potenzial zur Schaffung und Sicherung von Wohnraum, das aber oft ungenutzt bleibt, weil die existierenden Bauvorschriften es schwieriger machen, im Bestand zu Bauen als neu zu bauen. Altbauten können und müssen nicht sämtliche Kriterien von Neubauten erfüllen. Umbauten brauchen daher angemessene eigene Kriterien, die die spezifischen Eigenschaften sowie den baulichen und kulturellen Wert von Altbauten berücksichtigen.

Für ein vereinfachtes und preisgünstiges Bauen im Bestand wären bspw. reduzierte Anforderungen ähnlich dem Gebäudetyp E zielführend. Bestimmte gesetzliche Vorgaben sollten unserer Ansicht nach gelockert werden, um mit geringfügigem Aufwand die Nutzbarkeit von Bestandsbauten sicherzustellen, zum Beispiel:

1. Vereinfachung beim Schallschutz- und Wärmeschutz (z. B. Holzdecken erhalten im Altbau, trotz gemindertem Schallschutz)

2. Ein zielorientierter, vereinfachter Umgang im Brandschutz, bei dem das Schutzziel mit Alternativen erreicht werden kann (z. B. ist Brandschutz trotz bestehendem Holztreppenhaus im Altbau möglich)

3. Reduktion der Anforderungen an die Barrierefreiheit (z. B. Türhöhen im Altbau)

4. Umbaufreundliche Sonderregelungen für den Bestand im Außenbereich, differenziert nach Gebäudetyp und Nutzung, sofern es sich um bereits versiegelte Flächen handelt (z.B. Erhöhung der Anzahl der zulässigen Wohneinheiten im Sinne von § 35 Abs. 4 BauGB).

Bedarfsgerechtes Bauen und Sicherstellen der Wohnqualität

Die deutschen Städte und Gemeinden stehen vor sehr unterschiedlichen Herausforderungen. In manchen Regionen herrscht Leerstand, in anderen Wohnraummangel. Der jetzige Gesetzesentwurf zum Bau-Turbo gilt bundesweit und könnte in Regionen ohne akuten Wohnraummangel Fehlanreize setzen. Neubau ohne langfristigen Bedarf kann sogar zu noch mehr Leerstand, beispielsweise in den Ortskernen, und zu Wertverlusten führen. Diese bekannten Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre sollten zukünftig nicht weiter fortgesetzt werden.

Dies gilt auch in Bezug auf baukulturelle Aspekte: Schnell errichtete Neubauten sind häufig uniform, ohne Bezug zu regionalen Bauweisen. Sie verändern Ortsbilder vielfach negativ. Die Erhaltung und Umnutzung des Bestands bewahrt kulturelle Identität sowie soziale und wirtschaftliche Netzwerke, etwa im Handwerk. Altbauten bieten oft bessere bauliche und klimatische Qualitäten und sind langlebiger. Sie verbrauchen weniger Energie und Ressourcen als Neubauten und sie erzeugen weniger Müll.

In diesem Sinne ist es erforderlich, den Gesetzentwurf im Hinblick auf die § 246e BauGB sowie §§ 31 und 34 BauGB zu überarbeiten. Wir begrüßen die Idee von mehr Tempo beim Bauen, allerdings im Sinne einer in die Zukunft gerichteten Baupolitik als Umbau-Turbo, der nachhaltig Wohnraum schafft, indem er Bestand und unversiegelte Flächen schützt und Verfahren vereinfacht.

Gerne stehen wir für weiterführende Gespräche oder Rückfragen zu den angeführten Aspekten zur Verfügung und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch.

IgB-Vorstand & Geschäftsführung

Die IgB-Stellungnahme zum Herunterladen:

Wie ging es danach weiter?

Erfreulich ist, dass unsere Stellungnahme zu Gesprächen mit Mitgliedern des Bau-Ausschusses und Abgeordneten von SPD und CDU führte. Für uns ist das ein kleiner Erfolg: Wir konnten die IgB vorstellen, Kontakte knüpfen bzw. vertiefen und unsere Anliegen anbringen. Im September fand dann eine öffentliche Anhörung von Fachleuten im Bau-Ausschuss statt, bei der auch wesentliche Kritikpunkte zur Sprache kamen. Nach der Anhörung empfahl der Bau-Auschuss dem Bundestag, einem leicht veränderten Gesetzentwurf zuzustimmen, der weitgehend der Linie der Bundesregierung folgt. Die von vielen Fachleuten und zivilgesellschaftlichen Initiativen vorgebrachten Verbesserungsvorschläge zum Bau-Turbo bleiben darin leider weitgehend unberücksichtigt.

Wir bedauern, dass der Bau-Turbo die Möglichkeiten des Gebäudebestands zu wenig berücksichtigt und die Chancen für eine nachhaltige Ortsentwicklung sowie qualitätvolle und ressourcenschonende Bestandserhaltung weitgehend ungenutzt lässt. Und wir hoffen, dass es bei der anstehenden Novelle des Bundesbaugesetzbuchs zu einem UMBaugesetzbuch kommt, das vor allem das Bauen im Bestand stärkt. Jetzt kommt es darauf an, wie die Kommunen ihre neuen Spielräume nutzen: im besten Fall nicht nur für Neubauten, sondern für kluge und die gewachsenen Bau- und Ortsstrukturen bewahrende Lösungen im Bestand. Für uns in der IgB heißt das, dass wir weiter dort aktiv sein müssen, wo wir es schon immer sind: in der eigenen Gemeinde und für mehr Bewusstsein im Umgang mit der alten Bausubstanz. Dann zündet der Bau Turbo vielleicht doch im richtigen Gang!

Julia Ricker, IgB

Alle Informationen zum Gesetzgebungsprozess und den Gesetzestext gibt es hier auf der Internetseite der Bundesregierung:

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw41-de-wohnungsbau-1111794

Unsere baupolitischen Positionen & Stellungnahmen an Politik und Öffentlichkeit zum Herunterladen:

IgB-Stellungnahme