IgB-Stellungnahme zum Bau-Turbo: Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung (am 14.07.2025 an den Bundesbau-Ausschuss)
Die Koalitionsfraktionen haben am 10.07.2025 einen Gesetzentwurf zur „Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“, den sogenannten Bau-Turbo, (Drucksache 21/781) zur 1. Lesung in den Bundestag eingebracht. Ziel des Bau-Turbos ist, die Planungs- und Genehmigungsverfahren beim Bauen zu beschleunigen und zu vereinfachen.
Die gemeinnützige Interessengemeinschaft Bauernhaus e. V. (IgB) begrüßt die vom Gesetzentwurf ausgehenden Impulse zur Vereinfachung von Verfahren ausdrücklich. Wir sind jedoch der Ansicht, dass diese Ideen nicht auf den Neubau, sondern primär auf das Bauen im Bestand ausgerichtet sein müssen. Der Fokus beim Bauen muss gerade angesichts der aktuellen und absehbaren Herausforderungen auf der Aktivierung von Leerstand und auf der Erhaltung von bereits bestehender Bausubstanz liegen.
Die IgB war bei der offiziellen Verbändeanhörung zum Gesetzentwurf leider nicht beteiligt. Gerne möchten wir uns jedoch mit unserer seit über 50 Jahren bestehenden fachlichen Erfahrung und unserer praktischen Kompetenz bei der kostengünstigen und ressourcenschonenden Bestandserhaltung konstruktiv in das weitere Verfahren einbringen.
Bauen nur im und mit dem Bestand und auf versiegelten Flächen
Im bereits existierenden Gebäudebestand verbinden sich kulturelle Werte mit grauer Energie. Wir bedauern, dass der Bau-Turbo die Möglichkeiten, die der existierende Gebäudebestand bietet, bislang übersieht und die Chancen für eine ressourcenschonende Ortsentwicklung, qualitätsvolle Bestandserhaltung sowie eine nachhaltige und flächenschonende Nachverdichtung ungenutzt lässt.
Der Bau-Turbo wird vielmehr in seiner jetzigen Fassung überwiegend zu Neubauten führen, was eine weitere Zersiedelung sowie die Versiegelung bisher unversiegelter Flächen im Innen- und Außenbereich zur Folge hat. Für Kommunen bedeutet das insbesondere im Außenbereich immense Folgekosten für die Infrastruktur (Straßen, Wasser, Abwasser). Bislang macht der Bau-Turbo im Ergebnis den Weg frei für neue Einfamilienhausgebiete auf der grünen Wiese, zulasten wertvoller, landwirtschaftlich nutzbarer Böden. Im Innen- und Außenbereich trägt die weitere Versiegelung zur Bedrohung der Artenvielfalt bei, sie zerstört für Hitzetage wichtige Frischluftzonen und -schneisen und beeinträchtigt den Wasserrückhalt. Aus unserer Sicht muss es eine klare gesetzliche Priorisierung von bereits versiegelten Flächen für jegliche Bebauung – wünschenswerterweise mit Mehrfamilienwohnhäusern – geben.
Vereinfachtes Bauen im Bestand
Bestandsgebäude bieten ein großes Potenzial zur Schaffung und Sicherung von Wohnraum, das aber oft ungenutzt bleibt, weil die existierenden Bauvorschriften es schwieriger machen, im Bestand zu Bauen als neu zu bauen. Altbauten können und müssen nicht sämtliche Kriterien von Neubauten erfüllen. Umbauten brauchen daher angemessene eigene Kriterien, die die spezifischen Eigenschaften sowie den baulichen und kulturellen Wert von Altbauten berücksichtigen.
Für ein vereinfachtes und preisgünstiges Bauen im Bestand wären bspw. reduzierte Anforderungen ähnlich dem Gebäudetyp E zielführend. Bestimmte gesetzliche Vorgaben sollten unserer Ansicht nach gelockert werden, um mit geringfügigem Aufwand die Nutzbarkeit von Bestandsbauten sicherzustellen, zum Beispiel:
1. Vereinfachung beim Schallschutz- und Wärmeschutz (z. B. Holzdecken erhalten im Altbau, trotz gemindertem Schallschutz)
2. Ein zielorientierter, vereinfachter Umgang im Brandschutz, bei dem das Schutzziel mit Alternativen erreicht werden kann (z. B. ist Brandschutz trotz bestehendem Holztreppenhaus im Altbau möglich)
3. Reduktion der Anforderungen an die Barrierefreiheit (z. B. Türhöhen im Altbau)
4. Umbaufreundliche Sonderregelungen für den Bestand im Außenbereich, differenziert nach Gebäudetyp und Nutzung, sofern es sich um bereits versiegelte Flächen handelt (z.B. Erhöhung der Anzahl der zulässigen Wohneinheiten im Sinne von § 35 Abs. 4 BauGB).
Bedarfsgerechtes Bauen und Sicherstellen der Wohnqualität
Die deutschen Städte und Gemeinden stehen vor sehr unterschiedlichen Herausforderungen. In manchen Regionen herrscht Leerstand, in anderen Wohnraummangel. Der jetzige Gesetzesentwurf zum Bau-Turbo gilt bundesweit und könnte in Regionen ohne akuten Wohnraummangel Fehlanreize setzen. Neubau ohne langfristigen Bedarf kann sogar zu noch mehr Leerstand, beispielsweise in den Ortskernen, und zu Wertverlusten führen. Diese bekannten Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre sollten zukünftig nicht weiter fortgesetzt werden.
Dies gilt auch in Bezug auf baukulturelle Aspekte: Schnell errichtete Neubauten sind häufig uniform, ohne Bezug zu regionalen Bauweisen. Sie verändern Ortsbilder vielfach negativ. Die Erhaltung und Umnutzung des Bestands bewahrt kulturelle Identität sowie soziale und wirtschaftliche Netzwerke, etwa im Handwerk. Altbauten bieten oft bessere bauliche und klimatische Qualitäten und sind langlebiger. Sie verbrauchen weniger Energie und Ressourcen als Neubauten und sie erzeugen weniger Müll.
In diesem Sinne ist es erforderlich, den Gesetzentwurf im Hinblick auf die § 246e BauGB sowie §§ 31 und 34 BauGB zu überarbeiten. Wir begrüßen die Idee von mehr Tempo beim Bauen, allerdings im Sinne einer in die Zukunft gerichteten Baupolitik als Umbau-Turbo, der nachhaltig Wohnraum schafft, indem er Bestand und unversiegelte Flächen schützt und Verfahren vereinfacht.
Gerne stehen wir für weiterführende Gespräche oder Rückfragen zu den angeführten Aspekten zur Verfügung und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch.
IgB-Vorstand & Geschäftsführung
Die IgB-Stellungnahme zum Herunterladen:
Wie geht es jetzt weiter?
Nachdem der Bau-Turbo am 10.07.2025 im Plenum vorgestellt wurde (1. Lesung), wurde er an den fachlich zuständigen Bau-Ausschuss überstellt, wo er inhaltlich beraten wird. Die Ausschussmitglieder prüfen den Entwurf und könnten dazu auch noch Sachverständige und Verbände anhören. Am Ende spricht der Ausschuss eine Empfehlung an den Bundestag aus, wie über das Gesetz abgestimmt werden soll. Es folgen vermutlich im September die 2. Lesung mit der Debatte über Änderungsanträge und die 3. Lesung mit Schlussdebatte und Abstimmung.
Wie können wir noch tun?
Wendet Euch beispielsweise direkt an Eure Bundestagsabgeordneten, insbesondere an diejenigen im Bauausschuss, und verweist auf unsere Stellungnahme. Genauso könnt Ihr auch auf gute Instandsetzungsbeispiele, Eure eigenen oder andere, in der Nähe hinzuweisen, auf kurzsichtige und nicht nachhaltige Bauprojekte aus der Verangenheit oder auf konkrete Auswirkungen, die das Gesetz in Eurer Region haben könnte. Je mehr Rückmeldungen die Abgeordneten von uns erhalten, desto stärker bringen wir uns als IgB in das Gesetzgebungsverfahren ein!