IgB-ler sind Pioniere, was diesen Umgang mit Altbauten angeht. Über Jahrzehnte ist im Verein ein wertvoller Erfahrungsschatz in Theorie und Praxis gewachsen. Als Verein wollen wir dieses Ziel jetzt stärker in eine gesamtgesellschaftliche Diskussion einbinden und zu seiner Umsetzung mit weiteren Aktivitäten beitragen. In der IgB ist ein Positionspapier entstanden, das Forderungen für den Bereich Bauwesen formuliert. Darin mahnt die IgB die Bestandserhaltung als einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz an und betont, dass ein Umdenken in Bezug auf die historische Bausubstanz stattfinden sollte, die in den gesetzlichen Regularien gegenüber Neubauten neu bewertet werden muss.
Der Gebäudebestand in der BRD ist für die derzeitige Bevölkerungszahl von 83,2 Mio ausreichend
groß bemessen; jedes Jahr steigen die Quadratmeter der Wohnfläche pro Person in Deutschland
an, zuletzt auf knapp 47m². Die Verteilung des
Gebäudebestandes in Bezug auf Arbeitsplätze
und Verdienstmöglichkeiten ist allerdings vielerorts unausgeglichen und führt zur Entleerung
peripherer ländlicher Räume sowie zu einem extremen Verwertungsdruck im Einzugsbereich expandierender Ballungsräume.
Der Bausektor gehört weltweit zu den energieund ressourcenintensivsten Branchen. Allein die
Zementindustrie ist für acht Prozent der globalen
Treibhausgasemissionen verantwortlich. Verbunden damit nehmen Bodenversiegelung und Verlust an freier Landschaft zu, was negative Folgen
hat für Artenvielfalt und Aufheizung des Mikroklimas, ökologische Landwirtschaft, den Wasserhaushalt und damit auch die Lebensqualität.
Arbeit und Wohnen sollten wieder gemischt gedacht und geplant werden, um unnötige Wege vermeiden zu helfen. Das spart Zeit und Energie. Gebäudeenergiegesetz Im Juni 2020 hat der Bundestag das Gebäudeenergiegesetz beschlossen, das EnEV, EnEG und EEWärmeG zusammenfasst, um das Nebeneinander verschiedener Regelwerke zu beseitigen. In Bezug auf den Klimaschutz nimmt das Gesetz keine bedeutende Weichenstellung vor. Es berücksichtigt nur den Energieverbrauch in der Nutzungsphase eines Gebäudes. Etwa ein Viertel der Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich entsteht jedoch bei der Herstellung der Baumateria
Bauen im Bestand
Vermeidung von Flächenfraß und Vorrang für den
ökologischen Umbau vorhandener Siedlungs-,
Gewerbe- und Verkehrsflächen: Die Neuausweisung von Bauflächen sollte radikal beschränkt,
die Erhaltung traditioneller Baukultur, bzw. die
maßvolle Umgestaltung bereits vorhandener Gebäude sollten massiv gefördert werden.
Wir fordern, bei der Gesetzgebung ökologischen
Aspekten wie Umweltrelevanz und Nachhaltigkeit Vorrang einzuräumen. Diese Forderung bezieht sich auch auf das Steuer- und Abgabenwesen.
Die Mehrzahl der vorhandenen Gebäude in
Deutschland ist solide und mit natürlichen, umweltverträglichen und wiederverwendbaren
Materialien errichtet worden. Über Jahrhunderte
war es üblich, dass nachfolgende Generationen
bestehende Gebäude ihren Bedürfnissen angepasst haben. Durch die Verschiebung zwischen
Material- und Lohnkosten herrscht heute die Devise: Altes muss weg, weil Neubauten „wirtschaftlicher“ sind. In diese Bewertung fließen aber nur
monetäre, keine ökologischen oder kulturellen
Kriterien ein.
Da Abriss und Entsorgung eines Altbaus Kosten
verursachen, werden Neubauten meist in großzügig zur Verfügung gestellten Neubaugebieten
errichtet – bei gleichzeitigem Leerstand in den
historisch gewachsenen Ortskernen. Mit Zentren
ohne ortstypische, alte Bausubstanz verlieren
Dörfer und Städte langfristig ihr Gesicht und damit an Attraktivität.
Dem Prinzip Umbau statt Zuwachs durch Gesetzgebung wirksam Vorrang verschaffen. Gebäude
ganzheitlich betrachten und in den gesetzlichen
Regularien eine Gesamtenergiebilanz berücksichtigen, also nicht mehr nur den reinen Energieverbrauch in der Nutzungsphase. Maßstab ist
der Energieeinsatz ab Herstellung aller Baustoffe
und Bestandteile sowie die Betriebsenergie über
den gesamten Lebenszyklus (inkl. Energieeinsatz
bei Abriss und Entsorgung). Historische Bauten
mit ihrer lang andauernden Existenz und den
meist lokal gewonnenen, natürlichen Baustoffen
müssen eine Neubewertung erfahren – Stichwort
„Graue Energie“.
Gleiches gilt für den Aspekt Ressourcenverbrauch und Recycling: Bereits bei Materialgewinnung, Herstellung und Verarbeitung von Baustoffen sollten neben energetischen auch weitere ökologische Aspekte in den Fokus rücken und in die Gesamtbewertung verbindlich einfließen – insbesondere:
• Eingriff in den Naturhaushalt
• Langlebigkeit
• gesundheitliche Unbedenklichkeit
• Fehlertoleranz
• Reparatur- und Rückbaufreundlichkeit
• Wiederverwendbarkeit
Wenn ein Gebäude abgebrochen wird, sollten
Anstrengungen für die Wiederverwendung der
dort verbauten Materialien unternommen werden; derzeit produziert der Bausektor 60 Prozent
aller Abfälle.
Intelligentes Bauen: Gebäude sollten möglichst
lange und in guter Qualität genutzt werden
können, es bedarf also intelligenter Gebäudeplanung, die die bestehende Bausubstanz nicht
schädigt. Die intensive Beschäftigung mit historischen Gebäuden bringt wichtige Erkenntnisse
für klimaangepasste und nachhaltige Bauweisen.
Diese sollten genutzt werden, um ökologisch und
bauphysikalisch verträgliche Energiesparmaßnahmen für Bestandsgebäude zu entwickeln.
Die Ausbildung von Baufachleuten sollte obligatorisch den Bereich „Bauen im Bestand” beinhalten, sowohl in der akademischen als auch
der handwerklichen Lehre, inklusive der ökologischen Baustoffkunde.
Hier können Sie unser Positionspapier herunterladen