Der Heimat- und Kulturverein in Tylsen bei Salzwedel wurde 2003 gegründet. Seine vorrangigen Ziele sind die Förderung und Pflege von Natur-, Umwelt- und Denkmalschutz in der Region. Die Vereinsmitglieder wollen das kulturelle und soziale Leben, das Miteinander in der dörflichen Gemeinschaft bewusst machen und lebendig halten.
Der 1870 als Kuhstall errichtete, ortsbildprägende massive Backsteinbau, 60 x 12 Meter und 1924 nach Süden erweitert, ist Teil der ensemblegeschützten Gutsanlage „von dem Knesebeck“. Bis 1991 wurde der Stall als Kuhstall und der Dachboden als Strohlager genutzt. 2009 erwarb ein Mitglied des Vereines das Gebäude und im gleichen Jahr wurde mit dem Heimat- und Kulturverein ein Vertrag über die unentgeltliche Nutzung eines Drittels des Stalles geschlossen. Das südliche Drittel des Stalles hat sich der Eigentümer als Wohnbereich ausgebaut, das mittlere Drittel befindet sich im ursprünglichen Zustand und im nördlichen Drittel (ca. 225 m²) ist der Heimat- und Kulturverein beheimatet.
Die Aufräum-, Planungs-, Instandsetzungsarbeiten sowie die
neuen Einbauten wurden mit ehrenamtlichen Helfern aus dem
Verein und der Dorfgemeinschaft bewältigt. Die Reparatur des
Dachstuhles und der Dacheindeckung sowie die Sanierung der
Türen, Tore und Fenster übernahm der Besitzer des Kuhstalls. Die
kleinteiligen Eisenfenster wurden aufgearbeitet und wieder
eingebaut, die teilweise geschädigte Decke zum Strohlager mit
halbierten Rundhölzern (hier „Schleten“ genannt) repariert und
mit 8–10 cm dicken Lehmschlag versehen. Die in Firstrichtung
verlaufenden, die Decke tragenden Unterzüge wurden ursprünglich
von mit Kopfbändern versehenen Eichenständern getragen – 1983
ersetzte man schadhafte Ständer durch Rundstahlstützen. Es wurden
insgesamt 19 Stahlstützen zurückgebaut. Vorhandene oder geborgene
Baustoffe und -elemente aus der Umgebung wieder
verwendet: Eichenbalken, Backsteine, Treppenwangen aus dem
ehemaligen Pfarrhaus, eine historische Türanlage (aus
dem abgebrochenen „Neuen Schloss“),
Toilettentrennwände aus einer Schulsanierung sowie
eine gespendete Küche. Der Veranstaltungsraum wurde
mit einem Dielenfußboden versehen. Der Futtergang in der
Mitte dient als „Bühne“. In den Sanitärbereichen ist eine
Frostsicherung eingebaut und ein Bullerjan beheizt den
Versammlungsraum. Der Kuhstallcharakter ist überall erkennbar.
Ein arbeitsloser Maurer und eine arbeitslose Malerin konnten über den
Europäischen Sozialfonds finanziert werden und fanden hier Arbeit.
Ansonsten sind alle Tätigkeiten ehrenamtlich, mit Vereinsmitgliedern
und Helfern aus dem Ort, ausgeführt worden.
Der „Kuhstall“ wird für Lesungen, Ausstellungen, Vorträge, handwerkliche Kurse, musikalische Veranstaltungen nicht nur von dem Heimat- und Geschichtsverein sondern auch von anderen örtlichen Vereinen und der Evangelischen Kirchengemeinde sowie für private Familienfeiern genutzt. So ist diese, mit minimalem finanziellem und maximalem ehrenamtlichem Engagement realisierte Umnutzung ein Beispiel dafür, dass auch ein unspektakuläres aber ortsbildprägendes Gebäude mit vielen Ideen und Fantasie eine neue Nutzung bekommt, das Ortsbild erhalten wird und zur Stärkung dieses Dorfes beiträgt.
Die großelterliche Hofstelle ist im Besitz
der Preisträger. Leider brannte das Wohngebäude 1985 ab und konnte
nicht wieder aufgebaut werden, sodass seit 1996 der umgebaute
Kornspeicher als Wohnhaus genutzt wird. Auf dem Hofgelände sind zudem
noch die Scheune und die ehemalige Remise erhalten. Die Sanierung der
Remise steht noch aus. Die Scheune wurde zu einem Bauernladen
umgenutzt und erhalten. Hierfür erforderliche Maßnahmen waren die
Reparatur defekter Ständer und Fachwerkteile und Ergänzung
durch Neuteile, Entfernung sämtlicher Gefache, Reinigung und Reparatur
derer und Neuvermauerung mit den zuvor ausgebauten
Ziegelsteinen der Gefache mit Lehmmörtel sowie Austausch der
alten Tore durch unbehandelte Lärchenholz-Tore.
Angeregt durch einen Landwirt, der auf Märkten der Umgebung selbstproduzierte Fleisch- und Wurstwaren vertreibt, wurde die Umnutzung realisiert und das Gebäude erhalten. Aufgrund der verkehrsgünstigen Lage und der Erweiterung der Produktpalette mit Obst und Gemüse soll hier eine zentrale Vermarktungsstätte für landwirtschaftliche Produkte aus der Region entstehen. Durch eine gelungene Umnutzung hat sich so eine unspektakuläre, aber das Straßenbild prägende Scheune erhalten. Die noch ausstehende Sanierung der Remise wird sicherlich in ähnlicher, zurückhaltender Weise ausgeführt.
Das Vierständerhallenhaus – ehemals als Heuerlingshaus genutzt – fand über Jahrzehnte nur als Lager und Abstellraum Verwendung und wurde nicht mehr instand gehalten. Weit heruntergekommen sollte das Kulturdenkmal im Jahr 2000 abgebrochen werden und an dessen Stelle ein Neubau entstehen. Durch ein IgB-Mitglied erfuhren Sabine Wyrwoll und Claudia Klement von diesem Haus, begeisterten sich dafür und entwickelten für den Deutschen Kinderschutzbund (DKSB ) das Konzept für die Translozierung und Umnutzung. Das Büro Althaus-Konzept von Sabine Wyrwoll und Claudia Klement hatte die Projektleitung. Mit Unterstützung von IgB-Mitgliedern wurde das Gebäude abgetragen und für den DKSB eingelagert. Das Eichenfachwerk, die Deckenbalken sowie ca. 3.800 Dachziegel und 400 Lehmsteine wurden geborgen.
Der Kinderschutzbund Gifhorn kümmert sich seit 1973 um die Verbesserung der Lebenssituation insbesondere von sozial benachteiligten Kindern. Seit 2009 betreibt der DKSB einen ca. einen Hektar großen Natur- und Aktivspielplatz, auf dem auch das translozierte Haus seine Auferstehung feierte. Die geborgenen Baumaterialien wurden wiederverwendet und neue Materialien unter ökologischen Gesichtspunkten ausgewählt. Die Gefache wurden mit Backsteinen, die Innendämmung aus gestampftem Holzhäckselleichtlehm hergestellt. Der Naturbaustoff Lehm spielte in den Bauworkshops mit Jugendlichen eine herausragende Rolle. Auf dem Zimmerplatz wurden die Ständer repariert, Schwellen ergänzt, die Fundamente und Bodenplatte mit einer Maurerfirma und Schülern der Berufsbildenden Schule gegossen.
Der Zimmermann sowie eine Schülergruppe aus Polen und Gifhorn errichteten das Fachwerk des Erdgeschosses mit den Deckenbalken. Der neue Dachstuhl – mit Hanf gedämmt – wurde im nächsten Jahr aufgestellt. Ehrenamtliche errichteten ein Winternotdach, Schüler der umgebenden Schulen machten die Außenwände winterfest. Immer wieder wurden durch Ehrenamtliche und Schüler Baumaterialien aus Abrisshäusern der Umgebung geborgen. So entstand das Haus Stück für Stück mit maßgeblicher Beteiligung von Kindern und Jugendlichen unter der fachlichen Anleitung von Handwerkern und durch Fachfirmen. Durch die finanzielle Mithilfe des Landes, des Lions-Clubs, des Rotary-Clubs, des VW-Orchesters, diverser Stiftungen, der NDR Spendenaktion etc. konnte das Projekt vollendet werden. Dieses Projekt zeigt beispielhaft, wie junge Men-schen an historische Gebäude und traditionelle Handwerkstechniken herangeführt werden können. Ein großes Kompliment an Claudia Klement und Sabine Wyrwoll für ihr Engagement um die Rettung historischer Bausubstanz unter Einbeziehung junger Menschen.
v. l. n. r. Stefan Haar, Prof. Dr. Henning Bombeck, Daniel Fuhrhop, Dr. Roswitha Kayser, Ulrike Bach (2. stellv. Bundesvorsitzende, nicht Mitglied der Jury), Dagmar Everding