Emailleschild am Haus einer IgB-Kontaktstelle © Interessengemeinschaft Bauernhaus

Kontaktstelle Trier

Auf einer Karte Sebastian Münsters ist „scarpillicum“ Mitte des 16. Jahrhunderts recht prominent eingetragen. Immerhin waren die Ritter von Scharfbillig – die Herren einer Luxemburger Unterherrschaft – 1364 dreist genug, die Stadt Trier zu belagern! Heute zählt der bei Bitburg - und nahe Luxemburg, Belgien und Frankreich gelegene Ort keine einhundert Seelen mehr. Wir, Dr. Richard Hüttel und Dr. Barbara Mikuda-Hüttel – beide Kunsthistoriker mit einer besonderen Vorliebe für anonyme Baudenkmäler und Häuser "mit Seele" –, leben nun schon zwanzig Jahren in diesem Dorf und haben unterdessen auch unseren Sohn Simeon mit der Liebe zu historischen Bauten infiziert! Während der Restaurierung unseres Hauses unterstütz(t)en uns praktisch und mental immer wieder "Denkmal-Freunde". Dergleichen Hilfestellung möchten wir als Kontaktstelle Trier gerne ebenfalls leisten bzw. vermitteln, zumal die Ziele der IgB mehr als unterstützenswert sind!

Zu unserem alten Haus, in dem noch Manches zu tun bleibt:

Seit 1273 ist in "Scharpilge" ein durch viele Freiheiten ausgezeichnetes "Allodialgut" der ältesten deutschen Zisterzienserabtei Himmerod bezeugt, das 1374 und 1481 verpachtet wurde. Wohl im Zuge der vielen Kriege und Krisen, die später über das von der Natur bevorzugte Bitburger Gutland gingen, erwähnen es die Quellen im 18. Jahrhundert besonders häufig. So erfährt man 1746, dass "ein Hoffmann nahmens Johannes Wirtz von Scharfbillig auf 12 Jahr" damit "belehnet" wurde.

Nach der Säkularisierung erwarb die einstige Pächterfamilie das Anwesen und bewirtschaftete es bis 1940. Fünf Jahre lang lebte noch Verwandtschaft im Haus. Danach fristeten unter stark beengten Verhältnissen mehrere Vertriebenenfamilien aus Böhmen, Luxemburg und Schlesien im Haus und einem dürftigen Schuppen ihr Dasein. Hatten die Wirtschaftsgebäude längst schon ausgedient, so teilte seit dem Verkauf 1964 auch das Wohnhaus dieses Schicksal. Über zwanzig Jahre stand es leer, d. h. es wurde nicht verstümmelt und es zeigte sich, wie widerstandsfähig und langfristig seinerzeit gebaut wurde: Das sogenannte Trierer Einhaus hat seine Ursprünge in römischer Villenarchitektur – und tatsächlich fanden sich beim Jäten rund ums Haus Scherben der Römerzeit, des Mittelalters, des 17. und 18. Jahrhunderts, ja sogar ein römischer Spielstein!

Bautypologisch handelt es sich um ein für die Region typisches Trierer (auch: Lothringer) Quereinhaus, das die römische Bautradition der Region fortsetzte und mit der Zeit zu einem Dreiseithof verändert wurde. Heute schließt sich dem Wohnhaus unter höhenversetztem Schieferdach eine sehr große Scheune an und im Winkel dazu die Stallungen. Vom Pferdestall, der die Anlage einst an der dritten Seite einfasste, blieb nur ein Gewölbekeller mit Rotsandsteintreppe im Garten übrig; außerdem ein Steinhaufen, aus dem die Stallrückwand als Gartenmauer 1990 wiedererstand.

Während die Nordseite des Wohngebäudes mit ihren kleinen Wandöffnungen noch immer archaisch anmutet, ist die Südfront im 19. Jahrhundert mit hochrechteckigen Fenstern modernisiert - und die aufgedoppelte Klöntür mitsamt ihrem 1733 bezeichneten Sandsteingewände im Speicher eingebaut worden. Spätestens damals auch dürften das Stiegenhaus und die gesamte Eingangssituation verlegt worden sein.

Anstelle des historischen Treppengiebels, der das Anwesen bis zum Granatbeschuss im Zuge der Ardennen-Offensive Ende des Zweiten Weltkrieges als freies Stockgut auszeichnete, erweiterte man das Haus in den 1950-er Jahren um eine Fensterachse.

Seither überdauerte die Winkelhofanlage dank langen Leerstands mit ihrer wandfesten historischen Ausstattung nahezu unangetastet; mit Gewölbekeller, Brunnen, "Backes", steinernen Waschbecken, alten Treppen und Deckenbalken, mit eindrucksvollen Dachstühlen, Takenanlage, Maria-Lichtmeß-(Wachs)-Kreuzchen* auf den Stuben- und Stallgewänden, sowie mit einer "schwarzen Küche", d. h. großem geschwärztem Rauchfang und einem eindrucksvollen Feuerbalken!

Freilich bedurfte es einiger Fantasie zu Beginn der Restaurierung: Während im Parterre des Hauses zum Teil ornamentierte Lehmwickeldecken über die Zeiten kamen, konnte man im Obergeschoss ungehindert zwischen den Deckenbalken gen Dachstuhl blicken. Dafür fanden sich im ersten Stock wiederum originale Holzfußböden. Die "Leitfarbe" im Innern war übrigens grünlicher Nato-Lack, mit dem in der Nachkriegszeit sämtliche Hölzer und Sandsteinteile in aller Gründlichkeit gestrichen wurden.

Vor allem galt es bei der Restaurierung, die Zimmer für Zimmer und von Innen nach Außen erfolgte, das Vorgefundene gegen wohlmeinende Ratschläge zu verteidigen. Die aus dem Lot geratene Eichentreppe beispielsweise ist nur "fixiert" worden, und ihre besonders stark ausgetretenen Stufen wurden einfach umgedreht. Die sandsteinernen Tritte und Gewände der Zimmertüren mit ihren Setzungen blieben schlichtweg wie sie waren. Wo nötig wurden Zuganker eingezogen. Die Türblätter indessen mussten gegen historische aus dem 18. Jahrhunderts ausgetauscht werden – bis auf eines; zum Glück ausgerechnet jenes, auf dem sich Generationen von Bewohnern mit dem Segensbrauch wächserner "Maria-Lichtmeß-Kreuzchen" verewigt haben.

Ein besonderes Glück war es, den stark befallenen Dachstuhl durch einfache Reparaturen und ein Heißluft-Salz-Verfahren erhalten zu können. Ähnliche Freude stellte sich ein, als sich historisches Pflaster im Hof fand. Bei Arbeiten im Stall kam 1994 sogar unter Schutt die Haustür des frühen 19. Jahrhunderts zu Tage. Unter den liebevollen Händen eines Kölner Holzrestaurators ergänzt, kann sie mit ihrem Sonnensymbol nun wieder ursprüngliche Dienste versehen.

Das Bestreben der Restaurierung war und ist es, so viel wie möglich zu bewahren, nicht in die Grundrissstruktur einzugreifen und – wie das in diesem Hause stets der Fall war – Ausgemustertes umzuwidmen. Marode Eichenbalken etwa wiesen immer noch genug gesundes Holz auf, um daraus einen Fußboden zu schneiden oder Fensterbretter und Stürze für den Stall. Der einzige Eichenboden, der aufgegeben werden musste, lebt in Gestalt von Fußleisten fort. Als Stalltreppe dient die Stiege eines Abbruchhauses im Nachbardorf, und die Fenstertüren, die verfaulte Stalltüren ersetzen, erinnern an ein historisches Winzerhaus an der Mosel.

Gerne verneigt man sich vor den niedrigen Türgewänden, die in angenehm hohe Räume führen. War doch im Himmeroder Hof stets alles durch praktische Vernunft gefügt. Und es tut wohl in einem Haus zu leben, das noch immer Geheimnisse birgt und "sprechen" kann!

Dr. Richard Hüttel und Dr. Barbara Mikuda-Hüttel

Kontakt

Dr. Barbara Mikuda-Hüttel
Dr. Richard Hüttel

54636 Scharfbillig

Telefon: 0 65 61 / 1 23 68

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