
Kontaktstelle Hohlstedt
Wozu braucht denn das Weimarer Land eine IgB-Beratungsstelle in Hohlstedt?
So oder so ähnlich könnte die Frage von Bewohnern des Weimarer Landes lauten. Und tatsächlich: Auf den ersten Blick wirken die Häuser unserer Dörfer eher schlicht, es sind meist zweigeschossige Zweckbauten mit Satteldach. Die Haustüren liegen mittig an der Traufseite zum Hof, auf der einen Seite der Wohnbereich, auf der anderen der ehemalige Stall. Die überwiegende Zahl der Häuser dürfte dem 18. und 19. Jahrhundert entstammen. Typisch Mitteldeutsches Bauernhaus eben – dreizonig, zweistöckig, eintönig.
Ja, das Fachwerk, na klar. Und die alten Keller, gut. Ach so, die Krüppelwalme und Mansarddächer. Und die alten Haustüren, Toreinfahrten und Scheunentore. Natursteinwände, Lehmweller und Backsteinmauern. Holzbalkendecken, preußische Kappen oder schon Beton? Fenster mit und ohne Läden, die Stürze im Segmentbogen oder als scheitrechter Bogen. Sparrendach mit liegendem Stuhl oder doch Pfettendachwerk? Treppen gerade oder gewendelt, in Holz oder Stein. Streckhof, Dreiseithof oder Vierseithof. Je genauer man hinschaut, desto größer ist die Vielfalt der Ausführungen, die zu Tage tritt. Und deshalb ist Hinschauen nicht nur geboten, sondern macht immer wieder Freude!
Was es bei der Arbeit an alten Gebäuden nicht alles zu entdecken gibt: unter dem Außenputz zeigen sich bei genauerem Hinsehen Zwischenbalken mit Falzen zwischen den Deckenbalken. Ob das mal nicht eine Bohlen-Balken-Decke gewesen ist? Und tatsächlich – im Raum dahinter ist die Holzdecke unter dem Putz noch erhalten und mittlerweile freigelegt worden. Rußgeschwärzte Balken in der Decke über dem Erdgeschoß und im Dach? Das sind Hinweise auf die Lage der ehemals vorhandenen Schwarzküche im Haus. Leere Zapfenlöcher auf der Unterseite von Fachwerkhölzern können auf eine längst massiv ersetzte Fachwerkkonstruktion im Erdgeschoss hindeuten. Und Konstruktionshölzer, die nicht in einer Bauflucht liegen, können auf größere Umbauten hindeuten oder auf einen Wiederaufbau nach Teilabbrand.
Zum Glück wurden mir schon frühzeitig die Besonderheiten alter Gebäude vermittelt. Meine Eltern wohnten immer in „Altbauten“, wenn auch nicht in Bauernhäusern. Für mich hat sich daran nichts verändert. Als Kind interessierte ich mich für Burgen, Schlösser und Kirchen. Erst allmählich weitete sich der Blick und die Wertigkeit der unscheinbaren Häuser wurde mir bewusst. Ein Praktikum beim VEB Denkmalpflege Zwickau brachte den ersten „handgreiflichen“ Kontakt zu Baudenkmalen und führte zur Delegierung zum Studium nach Weimar. Hier lebe ich seitdem, wenn ich mich dann auch für die Ausbildung zum Zimmerer entschied. Spätestens durch meine Tätigkeit als Restaurator bin ich nun täglich mit alten Häusern betraut und lernte sie kennen und lieben! Deshalb bin ich auch seit 2017 Mitglied in der IgB.
Für mich ist es ein Glücksumstand, auch an vielen besonderen Gebäuden mitarbeiten zu dürfen. Der Eulensteinsche Hof in Hohlstedt beispielsweise ist wohl einer der ältesten im Landkreis und einer der schönsten ganz sicher. Daher fiel die Entscheidung leicht, den Sitz der Kontakt- und Beratungsstelle für die Instandsetzungen alter Bauernhäuser dort einzurichten. Auf Grund der vorbildlichen Instandsetzung durch einen Verein nach drohendem Verlust und durch die heutige Nutzung, die nicht modernen Wohnansprüchen genügen muss, kann man an diesem Haus noch Bauweise und Geschichte ablesen. Die vielen Details fallen zunächst gar nicht ins Auge, ergeben in ihrer Gesamtheit aber ein stimmiges Bild. Die Blumen im Vorgarten hinter einem Lattenzaun, die alten, aufgearbeiteten Fenster in unterschiedlichen Größen und jenseits aller Raster, schräge Raumdecken und Fachwerk auf der Raumseite unverputzt! Der Hof kann dadurch für Sanierungswillige als Beispiel dienen, was man mit alten Häusern tun kann und eben auch, was man nicht tun sollte!
Der Gedanke, handwerkliche Holzrestaurierung weiterzuvermitteln, führte mich im Jahr 2021 zu einer Dozententätigkeit bei der Jugendbauhütte Mühlhausen, bei der ich die Holzbau-Projektwoche mitgestalte. Darüber hinaus möchte ich nun Bauernhausliebhabern / Altbauliebhabern eine Anlaufstelle bieten, um bei grundlegenden Fragen möglichst noch vor Baubeginn Beratung anzubieten. Ich möchte das Potenzial des Gebäudebestands aufzeigen, aber auch auf vorhandene Schäden aufmerksam machen, qualifizierte Handwerker vermitteln sowie auf Fördermöglichkeiten und Optionen für Eigenleistungen hinweisen.
Dabei geht es um jedes Haus ganz individuell, egal ob eingetragenes Kulturdenkmal oder vermeintlich unscheinbarer Altbau. Vorrangiges Ziel ist es, Bestandsgebäude möglichst vor entstellenden Umbauten oder gar dem Abriss zu bewahren. Die oft junge Bauherrschaft mit Sinn für alte Häuser macht mir dabei Mut, dass ein Wandel hin zu einer Baukultur der bewahrenden Anpassung möglich ist. In diesem Sinne möchte ich mit der Kontaktstelle auch einen Knotenpunkt in einem Netzwerk für ländliche Baukultur und Bauwerkserhaltung im Weimarer Land bilden.
Ein herzliches Dankeschön gilt dem Eulensteinschen Hof e.V. für das kooperative Entgegenkommen beim Finden eines schönen Rahmens für die Kontaktstelle.
