Eichstätt, Jurahaus, © Interessengemeinschaft Bauernhaus, Marlies Mayer

Ein Jurahaus in Eichstätt

„Wohn- und Geschäftshaus renovierungsbedürftig zu verkaufen“ stand eines Mittwochs unter den Immobilienanzeigen der Stadt Eichstätt.

Für Marlies Mayer, die von Jurahäusern schon immer fasziniert war und bereits ein kleines Jurahaus saniert hatte, stand schnell fest, dass sie sich dieses Haus ansehen würde - und unversehens stand sie vor einem ihrer „Lieblingshäuser“ in Eichstätt. Es handelt sich um ein langgezogenes Haus mit Legschieferdach und einem wunderbaren schmiedeeisernen Balkon, das prominent an einer Straßenecke liegt. Bei der Besichtigung zeigte sich schnell: Das Haus hat die Renovierungswut der 70er Jahre fast unverändert überstanden: Viele alte Türen, breite Dielen und weitere Bauteile waren erhalten.

Im Jahr 2010 kaufte Marlies Mayer das denkmalgeschützte Gebäude. Urkundlich wurde es 1625 erstmals erwähnt und seither durchgehend bewohnt. Bis 1955 war im Erdgeschoss eine Schmiede untergebracht. Die Bauforschung ergab, dass das heutige Gebäude aus zwei Häusern besteht. Ein Teil des Dachstuhls stammt von 1701 und der zweite Teil, dessen Firstpfette gedreht ist, von 1709. Der Gewölbekeller wurde bereits im 13. Jahrhundert angelegt. Er  ist kleiner als das heutige Gebäude und weist einen abweichenden Grundriss auf. Zwischen der ersten urkundlichen Erwähnung und den Dendro-Ergebnissen liegt der „Schwedenbrand“ von 1634, bei dem Eichstätt stark zerstört wurde. Vermutlich wurde dabei auch dieses Gebäude in Mitleidenschaft gezogen.

 Eichstätt, Jurahaus, © Interessengemeinschaft Bauernhaus, Marlies Mayer
Eichstätt, Jurahaus, © Interessengemeinschaft Bauernhaus, Marlies Mayer
Marlies Mayer © Interessengemeinschaft Bauernhaus, Marlies Mayer

Auch die zweite Bauphase war sehr kreativ: Im 1. Obergeschoss wurden zwei Wände schräggestellt, um Platz für eine Tür und wohl auch einen Kamin zu schaffen. In dieser Bauphase wurden zusätzliche Balken in die Erdgeschossdecke „eingefädelt“, da wohl doch auffiel, dass die Statik nicht ganz sicher war.

Im Zuge der Sanierung wurden die alten Winterfenster aufgearbeitet, diese Arbeit übernahm die Bauherrin im Wesentlichen selbst. Der Dachstuhl und die gesamte statische Konstruktion waren eine weit größere Herausforderung. Eigentlich war der Sparrenabstand schon 1701 zu groß für das schwere Legschieferdach, das immerhin ca. 250 kg pro Quadratmeter wiegt, weitere Schäden kamen hinzu. Doch sie konnten vom Zimmermann mit vielen guten Ideen repariert werden. Das Legschieferdach besteht aus lose aufgelegten 8-10 mm starken Platten des lokal abgebauten Plattenkalks. Diese Technik wurde in der ehemals sehr armen Gegend entwickelt und bei Bauern-, Bürger- und Handwerkerhäusern angewandt. Dächer aus gebrannten Ziegeln waren dem Adel und den bischöflichen sowie klösterlichen Bauten vorbehalten. Heute beherrschen nur noch wenige Dachdecker diese Handwerkskunst. Glücklicherweise hat der Landkreis Eichstätt ein Zuschuss-Programm aufgelegt, damit diese Dächer nicht verschwinden. Neben der Tradition hat das Legschieferdach den Vorteil der Dämmung gegen Hitze im Sommer.

Inzwischen ist das Haus außen fertig und zieht bewundernde Blicke oder Kommentare der Nachbarschaft auf sich. Vorbei sind die Zeiten, in denen wohlmeinende Passanten fragten: „Willst es nicht wegreißen?“

Eichstätt, Jurahaus, © Interessengemeinschaft Bauernhaus, Marlies Mayer
Eichstätt, Jurahaus, © Interessengemeinschaft Bauernhaus, Marlies Mayer
Eichstätt, Jurahaus, © Interessengemeinschaft Bauernhaus, Marlies Mayer

Literatur:

Mayer, M.: „Sanierung eines Jurahauses in Eichstätt“, Der Holznagel - Zeitschrift der Interessengemeinschaft Bauernhaus 2/2019, S. 30ff